Kolumne Oktober

                                                        Wenn Helden feiern .... (Oktober-Kolumne)

   Definition Held = urspr. der sich durch Tapferkeit und Kampfgewandtheit auszeichnende Mann [...]    der berühmte Krieger edler Abkunft. (Meyers Grosses Taschenlexikon, 5. Aufl., Bd. 9)

   Nun ja, auf einen Helden (natürlich auch auf Heldinnen) der Nacht läßt sich diese Definition wohl    recht gut übertragen: Ein Held der Nacht muß sowohl tapfer und kampfbereit (meist in    Zusammenhang mit diversen alkoholischen Spirituosen) als auch edel sein; sei es bezüglich    Kleidung, Stimmungsfaktor, oder Großzügigkeit. Und manch einer von ihnen hat es bis heute    auch durchaus schon zu einer gewissen Berühmtheit bringen können.

   Aber was passiert nun wenn diese Helden und Heldinnen des nächtens losziehen, um in diversen    Clubs, bei Privatparties oder Premieren zu feiern?

   Alles fängt wohl mit einem gewissen Styling an. Da wird zu Hause vor dem Spiegel gegeelt,    eingecremt, gepeelt, modeliert und parfümiert was das Zeug hält. Es wird mit allen Mitteln das    betont und hervorgehoben, was einen irgendwie besonders machen könnte. Und was nicht so    den Vorstellungen entspricht, wird notfalls einfach mit einer zentimeterdicken Schicht abgedeckt.    Spieglein Spieglein an der Wand, wer ist die/der Schönste im ganzen Land?
   Jungs schmeißen sich in ihre Heldenuniform – dem Jackett – und manch Verwegener trägt dann    dazu noch ein rosafarbenes Hemd. Mädchen haben da wesentlich mehr Möglichkeiten: Sie hüllen    sich in zartes Tuch von Gucci bis Prada und müssen ihre seidenen Tangas und Spitzen-BHs mit    kurzen Röckchen, Kleidern oder engen Hosen kombinieren. Alle wollen das Beste aus sich    herausholen was nur irgendwie möglich ist! Und was dabei herauskommt ist eine breite Palette    von höchst seriös bis porno.

   Nach diesen ersten Vorbereitungen (die allein wahrscheinlich schon ganze Enzyklopädien füllen    könnten), kann dann endlich der lang ersehnte hedonistische Marathonlauf beginnen. Eine    Schlange von Vergnügungssüchtigen windet sich vor dem Eingang der Partylocation. Glück    denen, die auf der Gästeliste stehen oder eine Clubmarke besitzen dürfen und somit die Schmach    des „Ausselektiertwerdens" umgehen können. Stars und Sternchen, Vorstandsvorsitzende von    morgen, Kinder reicher Eltern, junge Models und Luder, bzw. solche die es werden wollen jiepern    nach dem Fest aller Feste! Zurecht, denn es wird grandios und exzessiv – soviel ist sicher.

   Man trifft sich, man kennt sich untereinander, man will sehen und gesehen werden, hier und da    ein großes Tachchen und Hallöchen in die Runde rufen. Küßchen, Küßchen, Küßchen.
   Und dann kommt der erste Drink: Ganz gepflegt sitzt man in der Lounge oder steht an der Bar.    Lässig setzt man das Glas an die Lippen, genießt wie die kühle Spirituose die Speiseröhre    herunterrinnt. Herrlich! Man plauscht mit diversen Leuten, hält dabei insgeheim danach    Ausschau, ob andere Gäste auf dem Fest aller Feste schöner, cooler oder vip-er sind als man    selbst. Aber das kann ja natürlich nicht sein und man genehmigt sich noch einen Schluck. Noch    kann man sich absolut perfekt artikulieren und bringt auch noch volle sinnvolle Sätze heraus.    Nicht mehr lange, denn der zweite Drink ist schon in Arbeit. Und schließlich wollen Happy Hour    und „free drinks" voll ausgenutzt werden. Man trinkt, guckt, trinkt, schlendert durch die    Örtlichkeiten und fühlt sich wohl – ganz wie zu Hause. Hier und da werden irgendwelche Projekte    besprochen, vielleicht wird irgendwo eine weltbewegende Geschäftsidee geboren, aber meist    drehen sich die Gespräche um sowas wie Brüste oder Ähnliches. Ja, so ist das halt. Kann man nix    machen, denn sonst würde man ja in die Oper, ins Theater oder zu einer Vernissage gehen. Aber    heute nacht will man ja feiern. Und zwar ganz kräftig, nicht so ein Kindergeburtstag mit    Topfschlagen und Blindekuh spielen, sondern ein Held der Nacht sein oder vielleicht werden.    Daher muß der nächste Drink her. - Hoffentlich sitzt die Frisur!

   Schöne Menschen drängeln sich an einem vorbei. Die Sätze werden kürzer, der Sinngehalt der    Gespräche nimmt ab: „Wow! Was, der auch hier? Die ist jetzt mit dem Vollpfosten zusammen?    Warum denn das? Der ist doch viel häßlicher als ich. Um Himmelswillen, ist das ein geiler Arsch..."    Dann kommen die nächsten Drinks. Und langsam – wie sollte es anders sein – fängt der Teufel    Alkohol in einem zu wirken. Die Augen treten glasig aus den Höhlen hervor, die Sätze werden    noch kürzer, der Inhalt noch unsinniger und morgen wird man sich an vieles was man jetzt sagt    nicht mehr oder nur bruchstückhaft erinnern können.

   Die Stimmung nähert sich dem Höhepunkt, die Luft ist schwer zu atmen, der Sauerstoffgehalt    nimmt rapide ab. Kondenswasser bildet sich auf der Regenbogenhaut. Man torkelt zur    Tanzfläche. Bässe massieren das Trommelfell. Lautes Böllern im Ohr. Hammer Amboß und    Steigbügel vibrieren, morgen wird das Ohr den ganzen Tag fiepen, tüüüüüüüüüüüt.



                                                       Oktober-Kolumne Teil 2

   Die Tanzfläche ist voll. Alle winden sich zu der Musik. Stroboskopblitze zucken durch den Raum.    Hier an diesem Ort werden alle eins. Eine geschmolzene Masse von Menschen. An diesem Ort ist    es egal, wer arm und reich, wer V.I.P. oder nur Pseudo ist. Es ist unwichtig, wer als Adel geboren    wurde und wer an der Wurst- und Käsetheke im Supermarkt Parmasalami verkauft. Hier zählt nur    der Song, der Sound, der Bass. Seufz, könnte es nicht überall so sein, wie in diesem    Mikrokosmos? Mädchen grätschen ihre Beine und reiben die Innenseite ihrer Schenkel an wild    gewordenen Jungs. Manche wollen auf sich aufmerksam machen und steigen auf die Boxen. Sie    verrenken sich zu den Beats.
   Auf der Tanzfläche ist es schwüler als im Tropenwald. Ein Gemisch von Moonshine Pomade,    Kokosnußgel, diversen Parfums und Vanilleduft liegt in der Luft. Silberne Schweißtröpfchen perlen    von zarter Haut und funkeln wie Diamanten im Discolicht. Es scheint, als habe sich die ganze Welt    lieb! Man wiegt sich gemeinsam ins Nirvana, in Trance, der DJ wirbelt und rockt das Vinyl.

   Jetzt hat man genug vom Tanzen und torkelt durch den Club. Man braucht einen weiteren Drink.    Die Kehle ist trocken. Mittlerweile steht da einer auf der Bar und schüttet von oben Shots in viele    offenen Münder. Wie kleine Vogelkinder öffnen sie ihre Schnäbel und wollen etwas aus der Flasche    erhaschen! Immer rinn damit, nur nicht aufhören! Sie laben sich an dem süßen Nektar, klebrig wie    Bienen an Honigwaben. Sie sind süchtig nach süßem Leben, vergiftet vom hedonsitischen Teufel,    feiern, trinken, Party-Junkies. Mehr, mehr, mehr! Sie taumeln, betört und benommen – sind vom    feiern high.

   Nun ist die ratio vom Wodka Red Bull vollends verklebt, ausgeschaltet, wie mit einem Schalter    umgelegt. Legal, illegal, scheißegal! Einfach die Sau rauslassen. Es geht nur noch um den    nächsten Song, um die nächste Telefonnummer, um den nächsten Drink. An morgen denkt jetzt    niemand mehr. Gott sei Dank, denn der Morgen wird grausam sein. Der Kater wird einen    unerträglich einholen und keiner kann sagen, er hätte es nicht gewußt. Egal, auch wenn man    morgen verquollen ist, mancher Pickel abgedeckt werden muß: jetzt bloß weiter feiern; als ob´s der    letzte Tag wäre. Nur nicht aufhören! Der Morgen ist noch so weit weg. Man soll die Feste feiern wie    sie fallen! Schließlich lebt man für diesen Moment, für diese Sekunde. Der geistige Horizont ist so    weit wie der eines Säuglings.

   Jetzt ist der Moment, in dem die Hemmungen fallen wie das Herbstlaub von den Ästen! Mädchen    geben sich Zungenküsse, Jungs stehen mit offenen Mündern daneben und Sabber läuft ihnen aus    den Mundwinkeln. Währenddessen sitzen andere in roten Plüschsesseln und köpfen eine Magnum    Flasche nach der anderen. Mädchen wittern ihre Chance zum Partyluder aufzusteigen, geifern    nach Kontakt, wollen auf sich aufmerksam machen, einen Schluck abbekommen, für einen Abend    ein Star sein.

   Lust, Suff und Nonsens vereinen sich symbiotisch zu einer undefinierbaren Masse, Ein Cocktail    aus Spaß, Spaß und Spaß.

   Ja, wenn Helden feiern, dann kommt es öfter zu einem Exzess. Die Spaßgesellschaft will „Hip Hip    Hurra" schreien und die ganze Welt umarmen. Champagner für alle, am liebsten für alle 7 Milliarden    Erdbewohner! Nachdenken kann man auch noch morgen!

   Die Happy Hour ist schon lange vorbei. Gut, daß man sich vorhin noch so viele Drinks auf Vorrat    gekauft hat. Mancher der Gäste auf dem Fest aller Feste steigt nun auf die Bar und ruft „Ficken,    Gruppensex, steil!", andere lehnen an der Wand, hängen in den Sesseln oder können gar nix mehr    machen.

   Die Stimmung hat das Zenit erreicht. Jetzt würde man am liebsten eine Polonaise oder einen    Clubtanz oder einen Handstand machen. Oder vielleicht doch lieber ein Salto mortale von der Bar    schlagen?!
   Es wurde soviel getrunken, daß nun sogar auch die Klofrau aussieht wie ein Topmodel. Wow!    Wenn das kein Indikator dafür ist, sich langsam auf den Nachhauseweg zu begeben. Man    schwankt noch zu den übrigen Gästen, winkt hier- und dorthin, nimmt einen letzten Absacker zu    sich, und dann kommt der Moment vor dem alle Taxifahrer nackte Angst haben: Die Taxifahrt nach    Hause.
   Die Nacht hat viel gekostet, mit Sicherheit. Aber ein Held ist ja „per definitionem" edel und läßt sich    nicht lumpen.
   Aber auch wenn man diesmal kein Held der Nacht geworden ist, immerhin sind viele viele    Gehirnzellen einen wahren Heldentod gestorben. Und das ist ja auch schon was, oder? Und an    welche Feiern erinnert man sich noch Jahre danach? An die richtig wilden natürlich!
   Die nächste Party kommt bestimmt.

   Haut rein, Prinz Pikkolo