November-Kolumne

    Die November-Kolumne

    „Wenn Mann mit einer Frau shoppen geht..."

    Es gibt ja bekanntlich mehrere Situationen im Leben, in denen Männer und Frauen auf     einer vollkommen unterschiedlichen Frequenz funken. Eine davon ist ohne Frage das     gemeinsame Shoppen gehen, denn hier treffen zwei absolut konträre Verhaltensweisen     zusammen und nicht selten wurde so manches männliche Wesen dabei fast an den     Rande eines Nervenzusammenbruchs gebracht oder gar in den Wahnsinn getrieben.

    Dabei könnte ein gemeinsames Schlendern über eine schicke Einkaufsmeile eigentlich     so schön sein! Gäbe es da nicht diese verflixte Kniggeregel, daß sich eine Dame an dem     Arm des Herren unterhaken sollte, der den herrlich dekorierten Schaufenstern zugewandt     ist. Und damit ist alles schon verloren! Denn so müssen die kleinen Äuglein der Liebsten     beim Bummeln zwangsweise auf die vielen vielen schönen Dinge hinter den Schaufenstern     starren. Und kein weibliches Wesen der Welt kann sich auf das geruhsame Promenieren     konzentrieren, wenn sie ständig von tausenden grell bunt beleuchteten und professionell     arrangierten Kleidern, Schuhen, Taschen, Hüten, Schmuckstücken oder ähnlichem     Schnickschnack abgelenkt wird.

    Und so wird aus dem „Shopping" ein „Shocking", denn das Mädchen reißt sich bei jedem     Schaufenster vom Arm des Jungen los, drückt ihre Nase an die Scheibe und betrachtet mit     einer peniblen Genauigkeit alle ausgestellten Kleidungsstücke. Für sie ist es ein
    High-Involvement-Ritual, das zelebriert werden muß. Ob Haarklammern, Taschen oder
    Abendrobe – alles scheint für ein weibliches Wesen eine extensive Kaufentscheidung zu     sein. Ihr Herz beginnt mit ungeheuerlicher Geschwindigkeit zu schlagen, der Puls rast,     Adrenalin, Endorphine werden ausgeschüttet, ihre Augen treten aus den Höhlen hervor,     und dann geht das Generve los: Sie bittet, bettelt und fleht, denn schließlich bräuchte sie     unbedingt diese putzigen Schuhe, weil die so gut zu einem süßen Kleid passen und auch     zu irgendeinem drolligen Schal und natürlich auch zu einer ganz niedlichen Tasche...

    Und so geht das bei jedem Schaufenster wieder von Neuem los. Egal ob vor H&M, MNG,     Miss Sixty oder Prada, Rena Lange oder Gucci Boutiquen. Man kommt so verdammt     langsam voran, eine Schildkröte würde einen überholen können. Das Shopping ist zu     einem Hindernislauf verkommen. Am liebsten würde man dem Mädchen die Augen     verbinden oder sie per Kabelbinder an den eigenen Arm ketten und an den Schaufenstern     vorbeischleifen! Aber da das mit Sicherheit nach Freiherr von Knigge absolut verboten ist,     muß der Junge diese Qual tapfer ertragen. Die physische und psychische Belastung der     Männer wird in diesen Situationen viel zu oft unterschätzt! Denn es erfordert eine
    knallharte Disziplin, sich auch noch ein Lächeln hervorzulocken, während die Liebste das     1000ste Paar Sommerschuhe kaufen will. Ein Mann kann einfach nicht begreifen, warum     das eine Riemchen schwarz und nicht silberfarben sein muß, warum eine Tasche in jeder     Größe und Farbe zu jedem Anlaß benötigt wird. Für einen Mann ist die Welt so einfach:     Es gibt nur schwarz und weiß, nur Anzug, Krawatte und Hemd. Bei dieser Uniform kann     ja kaum jemand etwas falsch machen! Die Modewelt der Frauen ist dagegen aber um
    vieles komplexer! Sie müssen immer wieder auftrumpfen, Standards brechen, Moden     antizipieren, immer im Trend liegen. Und das von sechs bis 80 Jahre. Und so wird mit der     Zeit aus einem Mädchen-Schrank mit Mickey Maushemden ein großer Damen-    Wandschrank, mit der Zeit folgt ein begehbarer Lady-Schrank und irgendwann vielleicht     sogar ein eigenes Diva-Bekleidungszimmer.

    Teil 2
    Jetzt aber wieder zurück zum Einkaufverhalten: Ganz besonders schlimm wird es für     einen Mann, wenn die Frau ihn erst einmal in eine der Boutiquen ziehen konnte, um diverse     Kleidungsstücke anzuprobieren! Denn während die Liebste sämtliche Teile miteinander     kombiniert und sich einfach nicht entscheiden kann, bekommt der Mann Kopfschmerzen     vom grellen Boutiquelicht und sein Magen rebelliert gegen die dämliche dahinplätschernde     Hintergrund-Kaufhausmusik, die die Psyche ansprechen und die Brieftaschen gefügig     machen soll. Er fleht und hofft, daß diese endlose Suche doch endlich mal ein Ende     nehme. Es scheint, man habe ein Rendezvous mit Sisyphos. Denn jedes Mal, wenn man     meint, sie habe endlich das richtige Oberteil gefunden,kommt diese hinterhältige     Verkäuferin mit einem anderen, natürlich noch viel teureren Stück an. Ja, und das steht ihr     selbstverständlich noch besser, denn Qualität sieht schließlich immer schöner aus. Die     Verkäuferin schmeichelt ihr und holt schnell noch alle anderen dazugehörigen     Kombinationen aus dem Lager, während der Mann die Augen verdreht. Und so geht es wie     bei einer Endlosschleife immer wieder von vorne los. Das sind Momente, in denen selbst     die stärksten Männer verzweifeln und wünschten, sie könnten nochmal 4 Jahre alt sein und     sich einfach quengelnd auf den Boden werfen, heulen, mit den Fäusten auf den Boden     trommeln und schreien. Aber als gestandene Persönlichkeit muß der Herr die Kontenance     bewahren und so tun, als sei er vollkommen bei der Sache. Das Schlimmste aber ist ja, daß     der Mann richtiggehend zum Lügen gezwungen wird! Was soll man als lieber Mensch denn     zu seiner Freundin sagen, wenn sie sich in ein offensichtlich viel zu enges Kleid zwängt?     „Ach Schatz, meinst Du, Dir steht wirklich die Größe 34? Solltest Du es nicht lieber mit
    einer 42 probieren, das ist doch sicher viel bequemer?" Natürlich nicht! Und so lügt und     lobt man, daß einem ganz schwindlig wird. Alles sieht ganz toll aus und paßt wie     angegossen! „Natürlich steht Dir das Kleid! Ach was, diese Pailletten sind doch nicht zu     gewagt! Großartig!" Was der Mann in diesem Moment aber wirklich denkt, sei hier mit     Rücksicht auf mögliche minderjährige Leser aufs schärfste zensiert!

    Jetzt wird einem auch klar, warum in den guten Hochglanz-Boutiquen immer ein paar     Gläser Sekt gereicht werden! Das dient ganz einfach nur dazu, den Mann von den     langweiligen Anproberitualen abzulenken, ihn in einen kleinen Rausch zu versetzen,     seine Langeweile zu betäuben und natürlich seinen Geldbeutel zu lockern...

    ...was ja auch sehr oft gelingt. Aber selbst wenn die Dame dann endlich ihren Willen     durchgesetzt hat und der komplizierte Kaufakt zu ihrer Zufriedenheit ausgegangen ist, ist mit     dem Ärger leider noch lange nicht Schluß: Denn auch jetzt ist der Mann der Dumme, weil     er ja für den Rest des Tages die ganzen Tüten und Kisten schleppen muß! Und so torkelt     das Paar von einer Boutique oder Abteilung zur nächsten – während der Tütenberg     exponentiell wächst. Man könnte meinen, die Qualität der Einkäufe werde an der Quantität     der Tüten gemessen. Das Einzige, was dieser absurden Situation ein Ende setzen kann, ist     eine brutale Mißachtung des Dispositionskredites oder das Ladenschlußgesetz.

    Jetzt stellt sich natürlich die berechtigte Frage, warum sich ein Mann überhaupt eine so     belastende Shoppingtour antut? Irgendwie müssen sich doch all die Mühen,     Schweißtropfen und Strapazen auch für IHN lohnen?!
    Die Lösung ist ganz einfach: Im Endeffekt will SIE ja gerade für IHN besonders schön     aussehen. Und spätestens wenn ER mit IHR auf die nächste Party geht und SIE in ihren     neuen Kleidungsstücken einfach umwerfend aussieht und ihr alle anderen Kerle mit     Glupschaugen geifernd hinterhergucken, ihre Freundinnen blaß vor Neid fast ohnmächtig     werden, dann ist ER ganz ordentlich stolz auf seine schöne SIE. Und plötzlich hat sich     der Shopping-Wahnsinn in gewisser Weise auch für IHN gelohnt und IHR wird großzügig     verziehen...
    ... bis zum nächsten Shopping-Marathon.

    Prinz Pikkolo, November 200