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Die Weihnachtskolumne Oh Du Fröhliche! Leise rieselt der Schnee... Wie schön! Alles ist so bezaubernd weihnachtlich in diesen Tagen. Uns allen ist so herrlich Wohl zumute: In jedem Herzen scheint ein ganzes Orchester von kleinen weißen Engeln (natürlich gehüllt in seidene durchsichtige Negligés) mit Harfen zu musizieren und mit ihren glockenzarten Stimmchen zu tirilieren! Geschmückte Tannen, gefrorene silberne Seen, weiße verschneite putzige Fachwerkhäuser soweit die Augen reichen! Überall fröhliche Menschen, Ruhe, nach Zimt duftende Plätzchen, Sinnlichkeit, Zärtlichkeit. Kurz: Das Fest der Liebe scheint zum Greifen Nahe! So viel zu den Alltagstheorien aus Weihnachtsliedern, Bilderbüchern oder Werbespots! Nun aber zur brutalen Wirklichkeit: Denn wenn wir mal ehrlich sind, dann wird an keinen Tagen eines Jahres mehr geflucht, gerempelt, gehaßt, als zu der drolligen und putzigen Weihnachtszeit! Von wegen Ruhe und Besinnlichkeit! Die verkrampften Weihnachtseinkäufe für die Lieben sind konstant von übelsten Streßattacken geprägt, weil es in der Natur des Menschen liegt, immer auf den aller letzten Drücker verkrampft nach unsinnigen Schlechte- Gewissen-Geschenken" zu suchen (die dann sowieso im Januar wieder umgetauscht werden). Der Mann denkt sich: Huch, jetzt ist es doch wirklich schon der 23.12. und ich habe immer noch kein Geschenk für mein Moosröschen ! Na, dann kauf ich ihr doch einfach mal ganz kreativ schnell das Chanel No. 5". (Jetzt läßt es sich auch ganz leicht erklären, warum Douglas so viele Filialen besitzen kann.) Und die Frau denkt: Huch? Für meinen Mausibären habe ich ja immer noch kein Präsent, da geh ich doch flux eine schicke Krawatte kaufen, oder vielleicht doch lieber ein paar Socken?" OH DU FRÖHLICHE! An den Adventswochenenden sind sogar die Parkhäuser (ja, auch der teuerste am Los Angeles Platz vorm Steigenberger!!!) wegen Überfüllung geschlossen, Strafzettel rieseln, die sinnvollsten Geschenke sind längst ausverkauft, und natürlich gibt es auch keinen Schnee, sondern nur matschige graue Pfützen. Gedränge, Hektik, Ellenbogeneinsatz, nach Schweiß stinkende Reisegruppen, nervende Straßenmusikanten, betrunkene Glühweinjunkies, Ehekrachs und rotzende heulende Kinder, um nur einige Eindrücke zu nennen. Und daher verspürt so mancher in diesen Tagen so kurz vor dem Fest der Liebe nicht selten ordentliche Lust, seinen reizenden Mitmenschen mal ganz kräftig in den Arsch zu treten oder vielleicht ein ganz kleines Bißchen auf die Fresse zu hauen! Nur ein klitzekleines Bißchen! Diese Wut kann sogar noch gesteigert werden! Nämlich dann, wenn das ästhetische Auge durch die unendlich kitschigen häßlichen farbigen Lichterketten, blinkenden Weihnachtsmänner oder Leuchtsterne belästigt wird, mit der die in großen Hochhauswohnsiedlungen lebenden Menschen all ihre Fenster schmücken müssen .... |
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Teil 2 .... Tja, und da sind dann auch noch die vielen Briefe mit den absurdesten Spendenaufrufen, die in der Weihnachtszeit plötzlich so unverschämt ins Haus flattern. Da ist man ja dann doch schon etwas verwundert, woher diese ganzen gemeinnützigen Vereine plötzlich unsere Adressen haben. Wurden unsere Namen etwa doch von den diversen Internetbetreibern sämtlicher Wirtschaftsnewsletter trotz Datenschutzes für viel Geld weiterverkauft? Und wenn man dann sogar mal ausnahmsweise einen solchen Brief nicht sofort in die Tonne wirft, sondern flüchtig querliest, dann fragt das Gewissen vielleicht kurz, warum man eigentlich nicht WWF mit einem kleinen Betrag unterstützen sollte, schließlich könnte damit ein achtel (!) Vogel einer bestimmten seltenen Vogelart in Schubidubidubidadiddeldidu vor dem Aussterben gerettet werden. Aber dann fällt einem sofort wieder ein, daß man sich als opportunistisches nutzenmaximierendes Individuum für das ganze Geld doch lieber die gute Gänsestopfleber im Delikatessenladen kaufen könnte und verwirft den heroischen Spendergedanken ganz schnell wieder. Und so ist das herrliche Weihnachtsfest seiner schönen Wurzeln beraubt und ad absurdum geführt worden. Der Vollständigkeit halber muß jetzt natürlich noch kurz auf den Werteverfall der jüngsten Generation geschimpft werden: Die Waldorfschulkinder in der Reklame basteln immer so schön kreativ mit Salzteig, spielen mit Holzeisenbahnen und freuen sich über Nüsse, Korinthen und Marzipankartoffeln! Aber heutzutage kann man doch sowas keinem Zweijährigen mehr andrehen! Das geht nur noch in der Milka Werbung, die den einzigen Jungen weltweit zeigt, dessen Herzenswunsch ein lila Schmunzelschokoweihnachtsmann ist. Kein Kind der Welt kriegt bei solchen Geschenken heute noch glänzende Augen! So ein Rotzbengel würde den blöden Holzkram doch seinen Eltern mit voller Wucht an den Kopf werfen. Die schöne Weihnachtsvision ist science fiction! Heute müssen es so viele Geschenke wie möglich und gleichzeitig die teuersten sein! Aber Hallo: ein sprechender High-Tech-Harry Potter mit echtem fliegenden Besen oder eine mit einem originalen Victoria´s Secret Diamantenbikini bekleidete Barbie. Am besten natürlich ein Porsche, eine Brillanten- Rolex, ein Platin-Collier, eine Weltreise auf dem teuersten Kreuzfahrtschiff und eine Eigentumswohnung am Gendarmenmarkt... Ja das wär cool! Und deshalb wünschen wir uns alle ein schönes reichliches Weihnachtsfest. Und weil Weihnachten ja irgendwie doch was Besonderes ist: ein lautes dreifaches Oh Du Fröhliche" und ein großes Hip Hip Hurra" auf den spendablen Weihnachtsmann den alten Rocker! Prinz Pikkolo Dezember 2001 |
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