April-Kolumne
                                   Die April-Kolumne "Das Radio und die Gewinnspiele"

Seit Ewigkeiten versuchen sämtliche Berliner Radiosender, sich mit immer größeren Gewinnspielen zu übertrumpfen. Wie langweilig! Wer will denn schon durch die ganze Stadt rennen und Jan Hahn suchen, um mit einer Wahrscheinlichkeit von 0 % Euro-Millionär zu werden? Wer will denn Don Alfonso ein paar lausige Cents abluchsen oder Urlaubääär werden? Bei solchen Radioaktionen kann man natürlich nur ganz groß gähnen!

In diesem Monat aber hat die Langeweile endlich ein Ende, denn auf der Frequenz „98 zwo" wird von „Radio Paradiso" ein phänomenal neues, revolutionäres und spannendes Konzept präsentiert!

Für das bessere Verständnis folgt jetzt der O-Ton der Funkspots, die stündlich mindestens sechs mal über den Äther gehen:
[Jingle] 98 zwo - Radio Paradiso. Berlins einziger Sender für Musik mit Gefühl, bei der Arbeit Ihre Nummer 1. 1000 Babys für Berlin. [Off: Babygeräusche und süßliche Pornohintergrundmusik.] Wir geben der Hauptstadt, was sie am Nötigsten hat: Ihr Baby für Berlin. Ich bin Simone Panteleit und - ach ja, es sind nur noch 999 Babys, denn eines kommt schon von mir. Jetzt müssen nur noch Sie schwanger werden! [..] Lassen Sie es uns gemeinsam tun [...] Sie sollten sich nicht länger gegen Ihre Frühlingsgefühle sträuben und mitmachen [...] Mehr Lust, mehr Liebe, mehr Kinder für die Hauptstadt. Sie gehen lustvoll in die Produktion und wir kümmern uns um den Kita-Platz - versprochen! [...] Wir freuen uns auf Ihre Erfolgsmeldung unter unserer „1000-Babys-für-Berlin-hotline"...[anschließend Präsentation der „Gedanken zum Auftanken" oder „die Gute Nachricht des Tages", gesponsert von der christlichen Darlehenskasse].

Keine Frage, darauf hat Berlin seit Jahren gewartet. Vielen Dank, „Radio Paradiso" für dieses großartige und vor allem großzügige Radiospiel! Wenn man diese Worte, von Sabine Panteleid mit ihrer lieblich süßlichen Beste-Freundinnen-Stimme in das Mikro gehaucht, richtig versteht, dann sollen wir alle mal ganz einfach ein Kind produzieren und kriegen dafür sogar garantiert einen Kindergartenplatz dazu! Mein lieber Scholli! Respekt, das ist wirklich ein sehr spendables Angebot, über das jeder mal ernsthaft nachdenken sollte. Noch besser wäre es natürlich, wenn „Radio Paradiso" zusätzlich eine Zahnbürste mit Schwenkkopf oder einen Bimsstein draufpacken würde. Aber wir wollen ja nicht gierig werden.

Und was nun? Ganz klar: Das Angebot ausnutzen und mitmachen. Schadet doch nichts, denn Kinder produzieren ist ganz einfach, und es ist sogar für einen guten Zweck: für unsere kinderfreundliche Stadt Berlin! Das Beste aber ist, daß Sex einen Heidenspaß macht, am meisten natürlich in der Gruppe.

Hosen runter und loslegen, die Gelegenheit war noch nie so günstig. Man kann eigentlich nur gewinnen. Den Kitaplatz hat man ja sozusagen schon in der Tasche und die läppischen 155.000 EURO, die ein Kind durchschnittlich bis zur Volljährigkeit kostet (Kinder aus Zehlendorf, Dahlem und Grunewald kosten natürlich mindestens das Fünffache), werden doch wohl nicht so schwer aufzutreiben sein. Und wenn es dann widererwarten doch nicht klappen sollte, kann man die kleinen süßen niedlichen putzigen Racker schließlich immer noch ins Heim geben. Vielleicht startet „Radio Paradiso" in zwei Jahren sogar eine neue großzügige Radiokampagne namens „Ein Heim für 1000 Radio Paradiso Aktionskinder".

Auf jeden Fall wird man in Zukunft auf den wenigen, mit Heroinspritzen verseuchten Kinderspielplätzen Berlins folgende Sätze öfter mal aufschnappen können:
„Ach ist der Kleene aba niedlich! Sieht aus wie der Vater. Wars denn een Wunschkind?"
„Nö, ick hab nur mitjemacht bei der Aktion ‚1000 Kinda für Balin' uff Radio Paradiso! War jerade son jünstijes Anjebot."

Um es mit den Worten des Bundespräsidenten a.D. Roman Herzog zu sagen, der derzeit mit seiner „Deutschland packts an"-Kampagne auf allen Plakatwänden der Stadt zu sehen ist: „Durch Deutschland muß ein Ruck gehen. Worauf warten wir?"
Also denn! Macht alle mit! Beginnen wir am besten heute mit der Produktion!

Prinz Pikkolo, April 2002.